was 2020 zählt

Was 2020 zählt.

von Timo Lommatzsch

26. August 2020

2020 das Jahr der Konflikte – und somit auch ein Jahr der PR.

Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, dass die 20er Jahre das Jahrzehnt der (globalen) gesellschaftlichen Konflikte werden, gegen den die 68er als verträumtes, entspanntes Kamingespräch wirken – unter anderem wegen der Disruption der Kommunikations- und Medienmacht, welche die Digitalisierung mit sich brachte.

PR ist die Gestaltung von Meinungsbildungsprozessen, PR gestaltet Wirklichkeiten. Daher ist es ein Jahrzehnt der PR, auch wenn viele es nicht mehr PR nennen. Und natürlich wurde auch die PR von der Digitalisierung disrupiert. Die Möglichkeiten der Mobilisierung, des Agendasettings, der gezielten sekundenschnellen Ansprache von Teilöffentlichkeiten, der Gestaltung der (Lebens)Wirklichkeit, welche die digitalen Kommunikation heutzutage besitzt, können nicht mehr nur in vereinzelten Cases bestaunt werden, sie sind vollumfänglicher Alltag – und sie fallen auf den Nährboden der aktuellen gesellschaftlichen Verwerfungen.

Es bahnte sich ja schon lange an. Trump, Brexit, AFD, Covid19-Leugner & Co. sind nicht Ursache, sie sind Symptom. Die gesellschaftliche Spaltung (Stadt/Land, Alt/Jung, Reich/Arm) und die daraus resultierenden Konflikte sind in der Wissenschaft schon lange bekannt und umfassend dargelegt – genauso die Brandbeschleunigerwirkung, welche digitale Vernetzung und Social Media dabei spielen. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklungen weiter forciert und die Konflikte nehmen weiterhin zu, on- und offline. Linke, Rechte und in der politischen Mitte zu verortende Gruppierungen werden sie dabei mit zeitgemäßen Kampagnen bei jeder sich bietenden Gelegenheit weiter anfachen. Das Klima ist gereizt: für jede Kommunikation, jeden Standpunkt werden Gruppierungen Gründe sehen, diese anzugreifen oder zumindest falsch zu verstehen. Medien werden Skandalisierung vorantreiben und sich ihre Headlines nicht durch Recherche kaputt machen.

Doch was bedeutet das für Unternehmen und Organisationen?
Wie sollen sie auf diese Veränderungen reagieren, wie sich am besten aufstellen?

 

Unternehmen und Organisationen brauchen in 2020 vor allem Vertrauen und (Digitale) Reputation sowie Konflikt- und Kritikfähigkeit – intern wie extern.

 

Vertrauen und Reputation werden zunehmend zum elementaren Fundament der (digitalen) Kommunikation. Ohne sie verpufft jeder Inhalt wirkungslos, auch wenn er noch so schöne monetär forcierte Reichweitenzahlen generieren mag. In einem Zeitalter der Konflikte, der Clickbaits, der Fake News und Hysterie suchen die Menschen nach Informationsquellen, nach Absender:innen, denen sie vertrauen und die für sie eine Reputation besitzen. Das erzähle ich seit über 2 Jahren in meinen Workshops und alle Manager:innen und Kommunikationsverantwortliche nicken dann immer begeisternd zustimmend – und schauen ertappt, wenn ich frage: wieviel Budget und welche Maßnahmen sie konkret für den aktiven Aufbau von Vertrauen und Reputation eingesetzt haben. Gerade auch digital.

Organisationen müssen intern und extern Vertrauen und Reputation aufbauen. Vertrauen in ihr Unternehmen, ihre Unternehmensmarke, ihre Konsumentenmarke – und ihre Person. Je mehr Vertrauen sie genießen, je mehr Reputation sie als Unternehmen und ihre Mitarbeitenden als Botschafter:innen besitzen, desto einfacher (und auch günstiger) wird es für sie werden, Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für ihre Kommunikationsinhalte zu bekommen, valide Resonanz zu erzielen und gewünschte Ergebnisse zu erreichen.

Mehr noch: umso besser sind sie geschützt dagegen, in den Strudel und die Kakophonie der Konflikte hineingezogen zu werden und darin unterzugehen. Dabei geht es nicht nur um das Vertrauen der Menschen und Multiplikatoren, es geht auch darum, dass ihnen die Algorithmen vertrauen. Denn diese werden zunehmend „vertrauensvolle Absenderquellen“ bevorzugen und diesen mehr Sichtbarkeit und Reichweite geben.

Doch was braucht es für Vertrauen und Reputation?
Egal ob on- oder offline, sind es die Klassiker: Klarheit, Verlässlichkeit, bewiesene Kompetenz, relevante Beziehungen und Netzwerke, Übereinstimmung von Kommunikation und Handlung – und gleiche Werte. Soweit so klar und altbekannt. Und doch wird viel zu wenig Zeit und Budget investiert, diese Fundamente offline und vor allem online zu schaffen und weiter auszubauen.

Was das konkret in Maßnahmen bedeutet, kann man pauschal nicht beantworten. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Aber die richtigen, validen Netzwerke auch online aufzubauen und sichtbar zu machen, die Content-Strategie zusätzlich auf Vertrauen hin auszurichten und abzuprüfen, die Werte transparent zu kommunizieren und auch in der Online-Kommunikation „zu leben“ ist dabei enorm wichtig. Und auch für die internen Kommunikation gilt es, eine valide Kommunikationsarchitektur zu schaffen, welche Mitarbeitende wirklich nachhaltig erreicht – und zuerst die Führungskräfte auf die veränderten kommunikativen und gesellschaftlichen Bedingungen einschwört.

 

Konflikt- und Kritikfähigkeit als elementarer Bestandteil der Unternehmenskultur

 

Neben Vertrauen und Reputation ist es nahezu überlebenswichtig, dass Unternehmen und Organisationen eine interne und externe Konflikt- und Kritikfähigkeit entwickeln. Und damit meine ich nicht nur die Kommunikations- und Marketing-Abteilungen, sondern das gesamte Management, ja alle Bereiche und Mitarbeitende. Sehr viele Unternehmen stehen hier noch am Anfang und werden von der zunehmenden Polarisierung und den Konflikt- und Kritikspiralen in der Gesellschaft überrollt bzw. machen sich selbst unnötig angreifbar. Prominente Beispiele waren hier natürlich Anfang des Jahres die Deutsche Bahn und der WDR.

In der externen Kommunikation gilt es mit den gesellschaftlichen Konflikten und der Kritik richtig umzugehen, sie richtig einzuschätzen und klare Werte – auch für die Kommunikation – sowie Handlungsoptionen zu definieren. Hierzu muss man nicht nur das strategische Fundament schaffen und das technische Know-how erlernen, es ist genauso wichtig Szenarien und Konflikte immer wieder durchzuspielen und zu üben. Dabei muss es nicht immer gleich der großangelegte Shitstorm-Simulator sein, aber Trainings für Mitarbeitende sind unerlässlich. So können sie mit (vermeintlicher) Kritik, Polemik, Hass, Satire und Kampagnen richtig umgehen und nehmen dabei auch keinen persönlichen Schaden – und können gleichermaßen das gesamte Unternehmen sensibilisieren und Konfliktfähigkeit aufbauen.

Der internen Kommunikation kommt nämlich im Konflikt- und Kritikmanagement ebenfalls eine große Rolle zu, da sich die gesellschaftlichen Spannungen und Konflikte, wie auch Kampagnen unterschiedlichster Stakeholder vermehrt in das Unternehmen und in die Mitarbeiterschaft tragen. Damit hier die Kultur des Unternehmens, der Zusammenhalt der Mitarbeitenden, die Motivation und Identifikation keinen Schaden nimmt, müssen auch hierfür entsprechende Strategien definiert und Maßnahmen umgesetzt werden.

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